Corina Gertz

Über die Künstlerin

 geboren in Wuppertal


LEHRAUFTRÄGE / ARTIST RESIDENCY

2018 Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach

2016 Lettische Kunstakademie Riga, Lettland

2015 Beijing University of Technology, China

2014 Hubei University of Technology, Wuhan, China

2013 Xijing University, Xi'an, China (zur Gastprofessorin ernannt)

2009 Artist in residence, Sanskriti Foundation, New Delhi, Indien

AUSSTELLUNGEN (kleine Auswahl)

2022 Galerie Clara Maria Sels, Düsseldorf

2021 Miteinander, UNO ART SPACE, Stuttgart

2020 Reconstruction, Shanghai Art Museum, Shanghai, China

2019 Trés Chic - Mode in der Kunst, Kunstverein Ludwigsburg

2018 2nd Shenzhen International Photography Exhibition, China

2017 Jenseits des Dokumentarischen, Städtische Galerie KUBUS, Hannover 

2014 Wedding Dresses 1775-2014, Victoria & Albert Museum, London

2013 Portas Abertas, Fórum Fundacao Eugénio de Almeida, Evora, Portugal

2009 Art Center, fashion illustrations from recycled materials, Mount Clement, Michigan, USA

Bei uns präsentiert 2022 in der Ausstellung “Haarige Zeiten”

Das Abgewandte Porträt 

Corina Gertz etablierte in der Fotografie das Genre des Abgewandten Porträts. Ihr fotografisches Werk beschäftigt sich seit Jahren mit der scheinbar stilleren Seite historischer und regionaler Kleidung; es zeigt Rückansichten ohne Gesichter. Die Abgewandtheit erzeugt Ruhe und Neugier zugleich. Sie führt in eine Vergangenheit, die wir – ähnlich wie in der Forschung – nicht direkt sehen aber wohl erahnen können. Wer waren diese Menschen wirklich? 

Mit ihrem Konzept erfasst die Modedesignerin und Fotografin bewusst genau die Seite von „Tracht“, die der Wahrnehmung schnell entgeht: Viele historische Bekleidungsformen maßen der Rückseite der Erscheinung erhöhte Sorgfalt bei, insbesondere bei den weiblichen Kopfbedeckungen. Dies hatte funktionale und tieferliegende kulturelle Gründe: Die Rückseite des Menschen galt als gefährdet durch nichtmenschliche magische Angriffe aber auch durch den „bösen Blick“, ausgehend von Artgenossen. In rituellen Schwellenmomenten waren besonders Kinder und Frauen hiervon bedroht. Stickereien, bunte Glassteine, bewegliche Elemente, wehende Bänder und Zierrat aller Art hatten auch spirituelle Schutzfunktion. Neben Zierde und spirituell-religiösem Schutz waren Kopfbedeckungen mit ihren elaborierten Rückseiten nicht zuletzt Signale in der Gemeinschaft. Zu Fuß oder mit Kutschen langsam unterwegs und insbesondere beim Kirchgang sah man Menschen früher häufig lange von hinten. Es machte also Sinn, Rückseiten von Kopfschmuck und Hauben zu verzieren, um seinen jeweiligen sozialen Status auch „rückwärtig“ umfassend zu kommunizieren. 

Viele historische Abbildungen aus Primär- und Sekundärgebrauch regionaler Bekleidung zeigen diese kunstvollen Rückseiten nicht. Daher erfüllen die abgewandten Porträts hier nicht nur ästhetische Ziele. Sie schließen auf ihre Weise gleichermaßen eine Lücke in unserer Wahrnehmung wie in der Dokumentation.

Text: Dr. Irene Steiner