Peter Nagel

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Über den Künstler

1963 geboren in Soest/Westfalen

1983 - 1991 Abitur, Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Tony Cragg, Peter Kleemann und Alfonso Hüppi

1988 Meisterschüler bei Prof. Alfonso Hüppi

1994 - 1995 Lehrauftrag an der Kunstakademie Düsseldorf

1998 - 1999 Gastdozentur am Edna Manley College, Kingston, Jamaika


Brot und Spiele

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Viele der Werke Peter Nagels sehen auf den ersten Blick schlicht und einfach aus. „Brot und Spiele“ z.B. erinnert an Minimal Art, drei Quadrate gleichen Formats mit ähnlich strukturierter Oberfläche - das ist es auch schon. Freunde der Minimal Art würden sie vermutlich mögen. 

Schaut man allerdings etwas genauer hin, ist man irritiert ob des Materials. Vermutlich lässt sich selbst nach längerem Hinschauen nicht erkennen, um welches Material es sich handelt: Brot, mit Epoxidharz in Form gehalten! Fragt man sich, warum drei sehr ähnliche Quadrate und nicht eins oder zwei (oder zehn), dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der hinter dem Materialgag versteckten Idee: Brot und Spiele! Panem et circenses! Gold, Silber, Bronze!

Die Ähnlichkeit der drei Elemente ermöglicht einen Einstieg in ein inhaltliches Verständnis. Macht es Sinn, einem Sportler oder einer Sportlerin u.U. millionenschwere Werbeeinnahmen zu ermöglichen, nur weil sie eine bestimmte Strecke eine hundertstel Sekunde schneller gelaufen sind als andere, oder irgendwelche Gegenstände 1 cm weiter geworfen haben? Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Würde Pierre de Coubertin heute immer noch sagen, Teilnehmen sei wichtiger als Siegen? Gilt nicht vielmehr nur noch „Citius, Altius, Fortius“? (schneller, höher, stärker) 

Schon bei „den alten Römern“ hat die herrschende Klasse verstanden, dass Brot und Spiele, panem et circenses, ein probates Mittel sind, Untertanen ruhigzustellen. 

„Brot und Spiele: Damit bezeichnete der Satiriker Juvenal (um 60 bis um 130 n. Chr.) die Politik der römischen Kaiser gegenüber ihren Untertanen. „Für diese zweifelhaften Geschenke, so fügte er hinzu, hat das römische Volk sich die Macht abkaufen lassen, hat es auf seine Rechte als Souverän verzichtet“ (…) Es gab kostenlose Getreideverteilungen für rund 200.000 Bewohner Roms; dazu Massenunterhaltungen: grausame Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen, (…) – und eben die Verteilung von Brotgetreide.“ 1

Bei Peter Nagel wird, was nach Minimal Art aussieht, zu realistischer Kunst. So wenig die drei Brote essbar sind, so wenig war panem et circenses eine freundliche Geste an das römische Volk. 

Wie man sieht, laden sich bei Peter Nagel scheinbar harmlose Objekte mit Bedeutung auf. Und das schafft nur große Kunst, egal wie klein sie an der Wand hängt.


Joachim Servatius, Mülheim an der Ruhr

1 vgl. http://www.pro-herten.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=39&wysijap=subscriptions


Shit Happens!

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Da hängt ein seltsames Gebilde an der Wand. Kein richtiges Kreuz, eher ein Wegekreuz, wie man es nicht nur in der ländlichen Gegend hie und da am Wegesrand stehen sieht. Vielleicht ist es aber auch der Grundriss einer romanischen Kirche. Oder die abstrahierte Darstellung einer Schutzmantelmadonna. Doch da, wo bei letzterem das Kind zu sehen sein sollte, findet sich ein Fußabdruck.

Eines ist klar: Es wäre kein Werk von Peter Nagel, wenn es nicht doch etwas anderes wäre, als das, was man auf den ersten Blick wahrzunehmen meint.

Denn auch hier (vgl. Brot und Spiele) liegt die Tücke des Objekts im Material: Kuhdung! Gerne auch Kuhscheiße genannt. Fußabdrücke verraten den Herstellungsprozess: Kuhdung wurde auf einer Weide gesammelt, mit Füßen in die gewünschte Form gedrückt und getrocknet. Nach mehr als zwei Jahren war das Material geruchsneutral, und es war kaum noch möglich zu erkennen, was es einmal war. 

Wenn man die Irritation, dass jemand freiwillig mit seinen nackten Füßen in Kuhdung stampft, überwunden hat, stellen sich zahlreiche Fragen und Assoziationen ein: Ist Kuhdung, der nicht nach Kuhdung riecht und auch nicht so aussieht, noch Kuhdung? Gibt es auch Tiere, die sich vor ihren Körperausscheidungen ekeln? Nackte Füße, die in Holzfässern Weintrauben maischen, kennt man vielleicht aus dem Urlaub oder dem Fernsehen. Sie machen Appetit auf ein Glas Wein oder auch nicht. Was aber machen nackte Füße in Kuhdung? Die Reihe der Fragen und Assoziationen ließe sich leicht fortsetzen. Ich jedenfalls konnte und kann mir vor dem Werk ein Grinsen nicht verkneifen.

Typisch Peter Nagel, dass er bei dem Ausstellungsthema Geschmacksmuster nicht an den Anfang der Nahrungsaufnahme, sondern an deren Ende denkt. Man könnte Peter Nagel mit Fug und Recht einen radikalen Querdenker nennen, wenn der Begriff momentan nicht von Dummdenkern okkupiert würde. 

Joachim Servatius, Mülheim an der Ruhr

Preise

1986 1. Preis der Hedwig und Robert Samuel-Stiftung, Düsseldorf
1987 Ernst Forberg-Stipendium der Kunstakademie Düsseldorf
1988 Bernhard Hoetger-Stipendium der Kunstakademie Düsseldorf
1988 "Kunststudenten stellen aus", Bonner Kunstverein
1993 DAAD-Stipendium für die USA
1993 Förderkoje auf der Art Cologne, Galerie Carla Stützer, Köln
1996 Publikumspreis der 50. Bergischen Kunstausstellung, Solingen
2000 2. Preis des Emprise Art Award, Düsseldorf

Einzelausstellungen (Auszug)

1988 "Das war das, und dies wird was anderes", Galerie Sophia Ungers, Köln
1991 Kunstraum Wuppertal
1992 "Et in Arcadia ego", Galerie Carla Stützer, Köln
1993 "Hand Feuer Waffen", Deutsches Klingenmuseum, Solingen
1994 "POTRAITS", Glasgang in der Akademie der Künste, Berlin
1995 "Rotwangs Haus", Galerie Carla Stützer, Köln
1996 "Bonbonneriere", Blumenladen Städtisches Krankenhaus Solingen
1997 "Wenn mein starker Arm es will,...", Galerie Plotzke, Düsseldorf
1998 "Paulus Freudenhaus", Galerie Carla Stützer, Köln
2000 "Moses Welt Rekord", Kunstverein Ahlen
2002 "50 ways to meet your lover", Flottmannhallen Herne
2003 Knockin´ on heaven´s door, kunstraumno.10, Mönchengladbach
2006 Realitäten - Von der Wirklichkeit hinter den Dingen, KTlab01, Hamburg
2007 Neues aus Entenhausen, kunstraumno.10, Mönchengladbach
2009 I like Sylt and Sylt likes me, Galerie Cornelia Kamp, Sylt
2010 Der Klügere kippt nach, Glashaus am Worringer Platz, Düsseldorf
2012 "Lento-Furioso", kunstraumno.10, Mönchengladbach (zusammen mit Christoph Platz)
2013 "Ratatazong, weg ist der Balkon", Carlernst Kürten – Stiftung, Unna
2017 "Gold und Edelsteine" [kunstraumno.10], Mönchengladbach (mit Franz-Josef Weidenhaupt)
2018 "Peter Nagel, 55", [kunstraumno.10], Mönchengladbach