Rolf Abendroth

Über den Künstler

Geboren in Braunschweig

  • Erste autodidaktische Arbeiten seit der Jugend

  • Nach Berufsende als Kardiologe
    Studium der Kunstgeschichte,
    Kunst und Kunsttheorie an der Universität Köln

  • Studium an der Freien Akademie
    der bildenden Künste in Essen
    als Meisterschüler

  • Seit 2018 Arbeit im eigenen Atelier in Düsseldorf

Rhythmische Mirakel

„Miracle”, „Mystery”, und „Real Magic”. Schon die Titel der Gemälde und Bilderserien von Rolf Abendroth verraten, dass seine Kunst die Betrachter in geheimnisvolle Welten entführt. In dunklen Bildräumen erscheinen, in mystisches Licht getaucht, plastische Formen, die an humanoide Existenzen erinnern, an fantastische Gestalten, an Fabelwesen zwischen Traum und Wirklichkeit.

Und doch legt sich Abendroths Kunst nicht auf gegenständliche Deutungen fest. Die Betrachter sind frei, zu assoziieren und darin all das zu sehen, was in ihren eigenen Köpfen herumschwirrt. Möglich wird dies durch eine ausgefeilte Maltechnik, die Abendroth selbst entwickelt hat.

Im Zentrum dieses Verfahrens steht ein Werkzeug, das Karl Otto Götz (1914–2017) vor mehr als 70 Jahren in die informelle Malerei einführte und das sein Meisterschüler Gerhard Richter in dem Dokumentarfilm „Painting“ einem großen Publikum nahebrachte. Richters Meisterschüler Bernard Lokai indes vermittelte die Arbeit mit diesem Mal-Instrument wiederum seinem Meisterschüler an der Freien Akademie der bildenden Künste Essen, Rolf Abendroth. Gemeint ist die Rakel (aus franz. racler: schaben), eine Art Spachtel, mit dem die feuchte Farbe von der Leinwand abgeschabt werden kann.

Es handelt sich um ein Werkzeug, das jeder der genannten Künstler auf seine eigene, ganz spezielle Weise einsetzt. K. O. Götz etwa arbeitete zunächst mit dunkler Farbe und Kleister auf hellem Grund, schleuderte mit der Rakel und schwungvoller Geste das soeben Aufgetragene aus dem Bild heraus und schrieb damit helle Negativformen in das dunkle, kalligrafisch anmutende Positiv ein. Richter baute sich riesige Rakel, um in langsamen Bewegungen die in mehreren leuchtenden Schichten aufgetragene Ölfarbe auf der Oberfläche horizontal und vertikal zu verschieben und partiell abzukratzen, und aus Bernard Lokais farbstarken Arbeiten in Mischtechnik blitzen plötzlich räumliche Partien hervor. Diese, von K. O. Götz bewusst vermiedene dreidimensionale Illusion dagegen ist es, die Rolf Abendroth zur Meisterschaft entwickelt hat.

Zunächst trägt Abendroth mehrere Schichten Acrylfarbe auf die Leinwand auf, wobei er sich auf höchstens drei Farben beschränkt, mit leuchtenden Tönen beginnt und als oberste eine dunkle Nuance wählt. In die feuchte Farbe arbeitet er dann mit der Rakel hinein, sodass je nachdem, in welchem Winkel und mit welchem Druck er sein Werkzeug ansetzt, helle, ja überraschend leuchtende Partien aufscheinen. Diese geben an den hellsten Stellen die Leinwandstruktur frei, während an ihren Kanten die weggeschobene Farbe dunkle, dreidimensionale Konturen bildet.

Der Schwung der Rakelbewegung balanciert Rundungen aus und lässt Übergänge und Abschattierungen entstehen, die plastische Körper zu modellieren scheinen. So werden mit der Rakel Farbschichten aufgerissen und dadurch Räume geöffnet. Dies ist ein vom Zufall geleiteter Prozess, in dem sich nach und nach Formen aus der Fläche herausschälen und den der Künstler im Wechsel von Aufbau und Zerstörung so lange fortsetzt, bis das Ergebnis ihn überzeugt.

Die Kunst von Rolf Abendroth ist weder eine mimetische noch eine abstrakte, sondern eine rein schöpferische. Er ahmt die Natur nicht nach und er abstrahiert nicht von ihr, vielmehr lässt er experimentierend etwas Neues entstehen. Und zwar nicht nur frei erfundene Organismen, sondern eine ganze magische Welt.

Dr. Barbara Steingießer

Bei uns präsentiert 2023 in der Ausstellung “Rhythmische Mirakel”